Freitag, 14. November 2014

Hast Du geduscht?

108,3 kg sagte die Wii gerade und mein Fitness-Alter ist 35, jawohl ...
Gestern bin ich beim Entrümpeln und Diäten nicht weiter gekommen, denn in unserem Flüchtlingscafe war gestern ein Info-Termin und wie sollten schon gegen 13 Uhr da sein.
Als ich ankam, wurde ich mit "pssssscht!" begrüßt, da ein Bischof anwesend war, der sich mit einer Rede aufzeichnen ließ.
Statt also Kaffee und Tee zu kochen und die Tische einzudecken, saßen wir möglichst still an einem Tisch und lauschten, wie der Bischof durch die Sätze stolperte.
Wir hörten zu, wie er vom heißen Tee in unserem Cafe schwärmte, das Schicksal von Meda, Samira und Ibrahim bedauerte und dazu aufforderte, die Türen weit und die Tore hoch zu öffnen.
Haha - Ihr ahnt gar nicht, wie viele Verprecher und Verhaspler man in solchen Sätzen unterbringen kann!
Wir erfuhren es, während uns die Zeit durch die Finger glitt.
Wir müssen unbedingt fertig sein, bevor die Flüchtlinge kommen, denn die kommen in großen Gruppen und sind irre hilfsbereit.
Leider verstehen sie kein Wort oder wenig und so führt ihre Hilsbereitschaft dazu, dass man sich gelegentlich weinend im Klo einschließen möchte, wenn sie plötzlich alle Stühle in den Keller schleppen oder so, weil man zB einen einzigen kaputten Stuhl in den Keller bringen wollte.
Das mit dem "weinend im Klo" ist natürlich Blödsinn.
Ich glaube, wir haben allesamt Spaß an unserem babylonischen Chaos.
Aber mehr Spaß eben, wenn die Basis schon mal geschaffen ist.
Kaffee, Tee, Apfelsaft, Wasser und Plätzchen auf den Tischen stehen.
Kleine Drehpausen nutzten wir umgehend zum Decken und Wuseln und unsere einzige Hauptamtliche machte uns mit "pssssscht!" schnell wieder darauf aufmerksam, wenn der Bischof wieder Samiras Schicksal beklagen wollte.
"Kennt irgendwer diese Samira?", fragte ich und erntete ein Grinsen.
Aha, es geht wohl um die Samiras an sich, und die Medas und Ibrahims.
Einmal kam der Bischof stolperfei durch die geöffneten Türen und Tore, als ein summendes Handy ihn unterbrach.
Ich schleppte das Handy schnell in die Toilette zu unserer Hauptamtlichen und gab es ihr mit einem grinsenden "pssssscht!".
Endlich war die Rede im Kasten und ... wir mussten uns gemütlich mit dem Bischof an einen Tisch setzen, wo man uns künftig dann also ins intensive Gespräch mit dem interessierten Bischof bewundern kann, wenn das Ganze ins Fernsehen kommt.
Das Fernsehen lügt ... aber das wussten wir ja schon lange.
Und hier lügt es wenigstens nett, denn es ist gar nicht schlecht, mal so etwas wie ein Flüchtlingscafe zu zeigen.
Lauter harmlose Menschen, die harmlose Dinge miteinander tun und Spaß haben.
Meine Tochter meinte, dass sie Freunden erzählt, dass ich mich "um Flüchtlinge kümmer".
Ich wette, sie lässt es sehr viel wichtiger klingen, als es ist.
Was habe ich gestern Weltbewegendes zur Flüchltingsrettung getan?
Kaffee und Tee eingeschenkt.
Ich wette, viele der Anwesenden, ließen sich aus reiner Höflichkeit Tee oder Kaffee geben und nicht, weil sie wirklich scharf drauf waren.
Dann habe ich große Mengen Plätzchen, Mandarinen, Weintrauben, Studentenfutter und Trockenobst verteilt.
Abends sah man mich dann, größere Mengen Studentenfutter mit dem Staubsauger wieder aus dem Teppich holen ...
Wegen der Infoveranstaltung, bei der mehrere Dolmetscher anwesend waren, fiel unser Flohmarkt aus.
Dafür bekamen wir aber noch ein paar Kartons mit Sachspenden und für die Weihnachtstombola sind auch schon Kartons mit Geschenken da. Unsere Schränke waren voll und so stapelten wir noch einiges ordentlich in eine Kellerecke.
Prompt wurden wir von einer eher strengen Frau angeranzt, dass das so nicht ginge.
Ich bin noch nicht so lange dabei, dass ich mich in die Interna einmische, aber ich war doch erstaunt, dass die Dame die Pastorin der Gemeinde war. Sie erfreut sich keinerlei Beliebtheit.
Wir hoffen nun nur, dass die Kisten nächste Woche noch in der Kellerecke stehen - einmal hat sie wohl alles "Störende" einfach wegschaffen lassen. Statt von "ich" spricht sie durchweg vom "Kirchenrat", den Kartons im Keller stören.
Oft genug packen wir Ehrenamtlichen uns dann die Autos voll, nehmen Kartons mit nach hause und bringen sie beim nächsten Mal wieder hin.
Ist schon besser, wir haben die Kartons dann in den Wohnungen stehen, als dass sie in einer Ecke des Kellers der Diakonie stehen, die wirklich niemand betritt ...
Ach ja, das habe ich mir doch gewünscht:
"Interna"
In Sachen Sinnsuche war ich also insgesamt schon mal sehr erfolgreich.
Und insgeheim danke ich der Pastorin. Ihren Namen kann ich mir nicht merken und ich würde ihn hier natürlich auch nicht nennen. Sie läuft bei mir unter "Frl. Rottenmeier".
Und so ein Frl. Rottenmeier als gemeinsamer Aufreger lässt uns Ehrenamtliche doch gleich ein wenig inniger zusammenrücken und ... lästern.

Ach: laut Schrittzähler bin ich gestern 4,9 km im Cafe herumgewuselt.
Trotz TShirts schwitzte ich rotköpfig vor mich hin.
Viele der Anwesenden trugen Jacken oder Mäntel. Absurder Weise auch wieder einige FlipFlops.
Ob es drüben in der Kleiderkammer der Flüchtlingsunterkunft wirklich zu wenig Schuhe gibt?
Denen war im aufgeheizten Saal eher zu kalt - mir nicht.
Plötzlich fragte mich eine der anderen (schlankeren) Freiwilligen, ob ich geduscht hätte.
ha ha ...
(nein, hatte ich nicht - bzw. ja, aber morgens - ich hasse es, wenn Marius Recht hat mit
Dicke schwitzen wie die Schweine ...)

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